Ist immer ein Arzt im Flugzeug? Medizinische Versorgung an Bord

Viele Fluggäste fragen sich, was wäre, wenn im Flugzeug ein medizinischer Notfall passiert. Speziell Flugangst Betroffene fragen mich das ziemlich häufig in meinen telefonischen Flugangst Coachings. Mein Name ist Delia, ich war 12 Jahre lang Flugbegleiterin und bin seit 2019 Flugangst Coach. In diesem Blogbeitrag klären wir die Frage „Ist immer ein Arzt im Flugzeug?“ und ich erkläre, was bei einem medizinischen Notfall an Bord seitens der Crew gemacht wird.

Hinweis: Wenn du dir nicht sicher bist, ob du gesundheitlich fit genug zum Fliegen bist, konsultiere bitte einen Arzt. Hier erkläre ich die Dinge aus meinem Erfahrungsschatz als Flugbegleiterin heraus und bin keine Ärztin.

Ist immer ein Arzt im Flugzeug?

In den meisten Fällen befinden sich sogar mehr als nur eine Person in einem Passagierflugzeug unter den Gästen, welche medizinisches Fachpersonal ist. Hier kommt es natürlich darauf an, wie groß das Flugzeug ist und wie die Buchungslage ist. Ich zumindest habe es noch nie erlebt, dass wenn wir medizinisches Fachpersonal ausgerufen haben, kein/e Arzt / Ärztin, Krankenpfleger/ Krankenschwester oder Rettungssanitäter/in dabei war. Einen Arzt seitens der Fluggesellschaft gibt es nicht an Bord.

Oft ist es tatsächlich so, dass Ärzte (ich meine auch immer Ärztinnen damit) sich beim Check-In auf das Passagierliste als medizinisches Fachpersonal eintragen lassen. Wenn dass Boarding vorbei ist, bekommt die Crew die Passagierliste vom Bodenpersonal, in welchem der Arzt mit Namen und Sitzplatz vermerkt ist.

Was ist ein medizinischer Notfall an Bord?

Zuerst einmal werden Panikattacken (von Flugangstbetroffenen oder auch grundsätzlich) nicht als medizinischer Notfall bewertet. In diesem Fall kümmern wir uns zwar um den Gast, würden aber wahrscheinlich keinen Arzt dazu ausrufen, es sei denn es wäre aus medizinischer Sicht notwendig (Herzprobleme o.Ä.). Eine Panikattacke ist zwar sehr unangenehm, wird aber bei einem grundsätzlich gesundem Menschen als medizinisch unbedenklich eingestuft. Beruhigungstabletten gibt es an Bord übrigens nicht.

Kopfschmerzen und Übelkeit kommen im Flugzeug oft vor, werden jedoch nicht als Notfall eingestuft. Die Crew gibt auf Wunsch verschreibungsfreie Medizin heraus. Das muss jedoch schriftlich festgehalten und vom Gast unterschrieben werden, da wir natürlich nie wissen, ob jemand auf eine bestimmte Sorte Tabletten allergisch reagiert. 

Ein schwerer medizinischer Notfall wäre eine Situation, bei welcher wir als Crew oder das medizinische Fachpersonal davon ausgehen, dass Lebensgefahr bestehen könnte. 

Was gibt es an Bord um medizinische Hilfe zu leisten?

Erste Hilfe Kit

Hat sich jemand beispielsweise durch Heißgetränke verbrannt oder geschnitten, kommt das Erste Hilfe Kit ins Spiel. Verbände, Pflaster und Co befinden sich darin, ähnlich wie das aus deinem Auto. Von allen aufgelisteten Dingen gibt es übrigens immer mehrere an Bord und sie sind vor jedem Flug verplombt, damit immer alles vollständig da ist.

Medizinischer Notfallkoffer

Wird ein Arzt ausgerufen, bringt ein Crewmitglied immer den medizinischen Notfallkoffer zum Arzt. Hier befinden sich Dinge darin, die nur medizinisches Fachpersonal  /Ärzte beim Patienten anwenden dürfen (Nadeln, Kanülen, Zugänge, verschreibungspflichtige Notfallmedikamente usw.) 

Defibrillator

Sollte es tatsächlich zu Kammerflimmern oder Herzstillstand kommen, gibt es Defibrillatoren an Bord. Dieser misst den Herzrhythmus und erkennt, wann gegebenenfalls ein Schock gesetzt werden muss. Dafür ist die Crew ausgebildet und übt das auch einmal pro Jahr, da im Fliegeralltag sowas sehr selten passiert, aber die Crew für den Fall der Fälle vorbereitet sein muss. Ich persönlich hatte zum Glück nie einen extremen medizinischen Notfall erlebt, der lebensbedrohlich war. 

Sauerstofflaschen

Die Sauerstoffflaschen sind für Gäste da, die ansprechbar und bei Bewusstsein sind. Besonders Flugangst Betroffene nehmen das Angebot gerne an, wenn sie bei Panik das Gefühl haben schlecht Luft zu bekommen. 

Ärzte Hotline

Sollte wider Erwarten kein Arzt oder Fachpersonal an Bord sein, gibt es (zumindest bei meiner Airline, denke bei anderen auch) eine direkte Hotline auf Langstreckenflügen speziell angestellten Ärzten, die 24/7 an dieser Hotline erreichbar sind. Diese können der Crew dann Anweisungen geben, bzw. auch eine Zwischenlandung empfehlen (wenn nötig).

Fakten gegen Flugangst - erste Hilfe
Ist immer ein Arzt an Bord? Foto von rawpixel auf Unsplash

Wie ist der Ablauf bei einem medizinischen Notfall an Bord?

Entweder spricht der Fluggast uns an, ein anderer Fluggast macht uns auf ihn (oder sie) aufmerksam, oder er drückt den Flugbegleiterknopf am Sitz. Ist etwas akutes, solltest du tatsächlich den Flugbegleiterknopf oft hintereinander drücken. So hören wir nicht nur ein Mal „Bing“, sondern merken, dass bei „Bing“ Bing“ Bing“ etwas nicht „normal zu sein scheint“. 

Je nachdem, was mit dem Gast ist, wird dann vorgegangen: Ist der Gast bei Bewusstsein und ansprechbar? Dann fragen wir nach Vorerkrankungen und ob der Gast Medikamente nimmt. Ist der Gast nicht mehr ansprechbar und vielleicht sogar bewusstlos, setzen wir nach lautem mehrmaligem Ansprechen einen Schmerzreiz. In jedem Fall folgen wir einer Checkliste, wie wir vorgehen müssen (ansprechbar oder nicht ansprechbar).

Ist der Gast nicht mehr ansprechbar passiert eine Kette an Dingen, die wir Flugbegleiter mindestens jährlich üben. 

  1. Der Flugbegleiter, der den Gast zuerst „entdeckt“ hat, ruft einen zweiten zu sich (ohne sich vom Patienten zu entfernen). Falls nötig, fängt der erste Flugbegleiter gleich mit lebenserhaltenden Maßnahmen an bei Bewusstlosigkeit des Fluggastes. Wenn möglich wird der Gast in die Bordküche gebracht.
  2. Der zweite Flugbegleiter setzt den Purser (Kabinenchef/in) und andere Flugbegleiter in Kenntnis.
  3. Der Purser ruft einen Arzt aus und setzt die Cockpit-Kollegen in Kenntnis. Der Purser informiert das Cockpit in kurzen Abständen über den Zustand des Gastes.
  4. Die anderen Flugbegleiter bringen das medizinische Equipment an Ort und Stelle (Defibrillator, Medizinkoffer, Sauerstofflasche, Erste Hilfe Kit etc.).
  5. Die Flugbegleiter assistieren dem Arzt in ihrem möglichen Rahmen und achten darauf, dass andere Fluggäste nicht „glotzen“ oder filmen. Vorhänge werden zu gezogen und/oder Decken hochgehalten als Sichtschutz.
  6. Die Piloten wissen grundsätzlich immer, wo der nächste sinnvolle Flughafen ist für technische oder medizinische Gründe und bereiten sich ggf. mental auf eine Zwischenlandung vor. 

Ist es medinisch notwendig, leiten die Piloten mit Absprache der Flugsicherung eine Zwischenlandung ein und Krankenwagen samt Notarzt warten schon an der Landebahn.

Ist immer ein Arzt im Flugzeug? Fazit

Wie du merkst, ist das Thema medizinischer Notfall an Bord eine gut durchdachte und gut trainierte Angelegenheit. „Kleinere“ medizinische Zwischenfälle passieren oft, aber die Crew ist gut darauf vorbereitet und schwere kommen vor, aber eher selten. Ärzte oder anderes medizinisches Fachpersonal sind meist an Bord und dazu gibt es noch die Ärzte Hotline. Die Kabinencrew übt Erste Hilfe und lebenserhaltende Maßnahmen jährlich und es wird in den Briefings (Treffen der Crew vor Abflug) immer kurz über ein medizinisches Thema gesprochen.

Eine Zwischenlandung wird nur durchgeführt, wenn Lebensgefahr festgestellt wird und der „Patient“ an Bord nicht stabilisiert werden kann. Jetzt ist es vielleicht auch nachvollziehbar, warum bei Panikattacken (grundsätzlich) keine Zwischenlandung gemacht wird.

Wenn du dir unsicher bist, ob du fit für eine Flugreise bist, frage bitte einen Arzt. Habe ich etwas vergessen oder du hast eine Frage? Schreibe mir gerne eine Mail an delia_wings@hotmail.com

Ich freue mich auch immer seeehr über ein kleines Trinkgeld in die „Kaffeetasse“ für meine Arbeit hier im Blog. Zur Kaffeetasse

Always happy landings,

Delia

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